Seit über 15 Jahren fotografiere ich nun hauptsächlich in den Bereichen Portrait und Business. Da ist es gut, wenn man seinen Horizont erweitert und auch mal in andere fotografische Disziplinen reinschnuppert. Im Jahr 2013 habe ich genau das bei der zweiten Auflage von Getting Tough – The Race, einem Extrem-Hindernislauf oder auch kurz OCR genannt, getan. Welche Erfahrungen ich dabei in den letzen Jahren gesammelt habe, davon will ich hier berichten. Und natürlich will ich auch ein paar Mythen aufklären, die hier und da herumspuken.
Ja, es ist schon verdammt cool, so als freier Fotograf mit einer professionellen Kamera und einem dicken Objektiv herumzulaufen und einfach mal unter der Absperrung durchzuschlüpfen, um sich den besten Standpunkt für die nächsten Fotos zu sichern. Der einfache Zuschauer bleibt hinter dem Absperrgitter, aber man selbst ist ganz nah dran an den Läufern, dem Dreck, der Power, dem Schmerz und all den anderen Dingen die dieses sportliche Event ausmachen. Da wird so mancher Hobbyknipser neidisch und träumt ebenfalls von einer Karriere als Sportfotograf. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt.
Aber fangen wir ganz am Anfang an. Bei einem solchen sportlichen Event im eigenen Heimatort sollte man schon dabei sein, dachte ich mir, als es 2012 das erste Mal Getting Tough – The Race hieß. Keiner wusste so recht, was da wohl passiert und tatsächlich abläuft. Also habe ich meinen Kollegen und einen der Hauptorganisatoren Michal Kalinowski angerufen und ein wenig ausgefragt. Da das Event natürlich nach vorn kommen sollte, war jeder Fotograf willkommen. Viele Bilder bedeuten viele Posts in den sozialen Medien und das gibt Auftrieb und fördert die Bekanntheit. Nun für mich fiel die Premiere flach, da ich zwei Tage vor dem Start einer Grippe erlag. Ja, auch so etwas passiert.
Macht nichts, die zweite Auflage wird folgen, dachte ich mir. Und so war es auch. Also stand ich 2013 das erste Mal total aufgeregt an der Strecke und beobachtet die Läufer, um ein paar tolle Bilder zu bekommen und vielleicht auch ein paar Euros dabei herauszuschlagen. Nach 5 Stunden an der Strecke und einem Sonntag vor dem Rechner zog ich Bilanz. Sehr viele gute Bilder, eine Menge Spaß, Action und Emotionen. Das schrie nach einer Wiederholung. Aus dem Bildverkauf wurde erst mal nichts, da der auf der Homepage geplante Shop nicht lief und ich noch keine vernünftige Alternative kannte, um den Verkauf outsourcen zu können. Was blieb waren gute Bilder bei Facebook und auf meiner Page, die mir ein paar Likes und erste Beziehungen zu Läufern wie Charles Franzke brachten. Auch nicht schlecht.Was blieb waren gute Bilder bei Facebook und auf meiner Page…

Ich beobachtete die OCR-Szene im folgenden Jahr genau und schaute mir die Konkurrenz mal genauer an. Vor denen hatte ich keine Angst. Das landläufige Konzept heißt hier: Halte drauf, mach so viele Bilder wie möglich, stell sie ohne viel Arbeit daran ins Netz und greif an Kohle ab, was geht. Von Qualität oder Professionalität ist hier meist nicht viel zu erkennen. Klar haben die auch die dicken Kameras, aber die machen eben nicht die guten Bilder, sondern der Mann hinter der Kamera. Und etwas Bearbeitung und wenn es nur Farb- und Kontrastkorrektur und ein Beschnitt sind, hat noch nie geschadet. Aber das ist Zusatzarbeit und die kostet Zeit, was wiederum den Gewinn schmälert. Und wer hat schon Lust 20.000 Bilder von mehreren Fotografen durchzusehen, zu sortieren und auch noch zu bearbeiten.
Was die Qualität angeht, kann ich nur sagen: Jeder Grafiker, Marketingassistent oder Webdesigner aus den Bereichen, in denen ich sonst fotografiere, hätte mir diese Bilder um die Ohren gehauen. Keine Komposition, wenig Aussagekraft und nicht bearbeitet. Meine Qualitätskriterien sehen da ganz anders aus – satte Farben und Kontraste, ordentliche Bildschärfe, ein sauberer Bildausschnitt, der eine Komposition erkennen lässt und als Sahnehäubchen am besten noch eine klare Bildaussage & Emotionen. Das man solche Bilder nicht am Fließband produzieren kann, ist klar. Aber zumindest handwerklich sollte man sauber arbeiten und dem Läufer ein Bild bieten, worauf er sich selbst erkennt und dass er guten Gewissens an seine Trophäenwand hängen kann. Aber Ähnliches habe ich auch schon in der Eventfotografie bei Jugendweihen, Abibällen und dergleichen kennengelernt. Und dort kann man wirklich saubere Arbeit abliefern, denn man hat die Zeit dazu. Statt dessen gibt es auch hier Kollegen, die alles Out of Cam verkaufen, um mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld zu verdienen. Verständlich ist das schon, wenn man die Verkaufszahlen sieht, die man tatsächlich erzielt. Aber dazu später.
Meine Qualitätskriterien sehen da ganz anders aus …
Qualität war mein Aufhänger und damit wollte ich punkten. Nur wie sich von den anderen noch besser abheben? Da kam mir die Idee eines Fotostandes im Ziel. Auf keiner Laufveranstaltung hatte ich so etwas bis jetzt gesehen. Warum also nicht einen coolen Hintergrund drucken lassen mit dem Getting-Tough Schriftzug und eine Studioblitzanlage für geniales Licht aufbauen. Dann brauchen da nur noch die Teilnehmer mit ihren Medaillen durchlaufen und ich mache ein schickes Portrait. Also meinen Freund Michael Kallinowski angerufen und die Idee unterbreitet. Nach einem Gespräch mit ihm und Markus Ertelt war klar, wir ziehen das Ding mal so durch und schauen was passiert. Das Hauptrisiko trug ja ohnehin ich, denn ich hatte die Kosten für den Hintergrund und musste mein teures Studioequipment mit raus schleppen. „Wenn es gut läuft, kannst du das ja nächstes Jahr wieder machen und wir reden mal über eine prozentuale Beiteiligung.“ höre ich Markus Ertelt noch sagen. Na klar, so eine Möglichkeit hat man nicht immer und da kommt bestimmt was bei rum, nur logisch, dass man da was an den Organisator abgibt, denn der hat ja auch Kosten. Mein Freund Kalli schwelgte inzwischen schon im Traum von gigantischen Umsätzen. „Mann wir haben dreitausend Läufer, wenn du die fotografierst und von jedem ein Bild für fünf Euro verkaufst… „. Ich schreibe jetzt hier mal nicht weiter. Wer so etwas schon mal gemacht hat, der weiß, dass die Realität wesentlich anders aussieht.

Fakt ist, ich habe das so durchgezogen. Und es lief am Racetag echt super. Die Sportler waren gut drauf und boten mir tolle Motive. Sie gaben noch einmal alles und zeigten Kraft und Power und natürlich Stolz auf ihre Medaillen. „Einfach geil, diese Finisher Pix…“ konnte ich dann auf Facebook in den folgenden Tagen sehr oft lesen. So schnell hat dann deine Arbeit einen Namen weg. Bilanz meines ersten Versuches: 9 Stunden auf den Beinen direkt neben der Zielbühne und dröhnenden Lautsprechern, Heiserkeit vom Anfeuern der Läufer vor der Kamera, 8 Stunden Bearbeitung vor dem Rechner am folgenden Tag, rund 550 Bilder, die in meinen Shop wanderten, 180 Bestellungen und einen Nettoverdienst von 640 Euro… Keine 15.000 Euro, aber fürs erste Mal nicht schlecht und eine schöne Anzahlung für meinen neuen Bildbearbeitungsrechner.
Mann muss kostendeckend arbeiten, wenn man leben will…
Als ich dann im Folgejahr bei den Organisatoren anrief, um anzufragen, ob ich wieder im Ziel stehen darf, die Auskunft „ja“. Aber es stand die Forderung im Raum, dass ich 400 Euro Standgebühr zahlen solle. Eigentlich war ja eine prozentuale Beteiligung ausgemacht. Und wer rechnen kann, der weiß, dass bei oben genanntem Verdienst und dieser Kostensteigerung ein Selbständiger nicht überleben kann. 20 Euro Brutto die Stunde sind verdammt wenig, zumal ich 2015 auch schon verpflichtet war Umsatzsteuer zu zahlen – zum Vergleich die Mechanikerstunde in meiner Autowerkstatt des Vertrauens kostet 80 Euro und in anderen Autohäusern über 100 Euro. Warum? Weil man kostendeckend arbeiten muss und auch noch leben will.
Mir war das zu fett und das habe ich auch den Organisatoren dann auch gesagt. Kurzerhand hab ich ihnen einen Ausgleich angeboten, um einen Win-Win Situation herbeizuführen – ein für sie kostenloses Produkt-Shooting für ihren Webshop. Realer Marktwert hierfür rund 800 Euro, also das Doppelte von dem, was gefordert war. Nun Zeit hatte ich in den Folgemonaten und ich hätte ja nicht nur Arbeit, sondern auch wieder einen namenhaften Kunden, diesen Wert sollte man nicht unterschätzen. Also auch für mich akzeptabel. Die Jungs konnten ebenso rechnen und sagten zu.
Zwei Wochen vorher bekam ich dann einen Anruf und mir wurde doch abgesagt. Ein Mitbewerber hatte wohl die 800 Euro cash für die Stelle geboten und was soll ich sagen, Bares ist Wahres… und das gab offensichtlich den Ausschlag für diese Entscheidung. Also Kommando zurück – allen Fans auf Facebook geschrieben, dass ich doch auf der Strecke fotografiere. Großes Unverständnis unter den Läufern hierfür. Sie wollten wieder ihre „Finisher-Pix“. Der Große Tag kam heran und ich saß gegen halb neun am Frühstückstisch, als mein Telefon klingelte. Ein panischer Michael Kalinowski am anderen Ende, der meinte, dass die Konkurrenz noch nicht angereist sei und fragte ob ich einspringen könne. Für einen Freund und Kollegen macht man das… Ehrensache… Also stand ich wieder im Ziel, schnell hatte ich alles vorbereitet und auch Kennwortkärtchen waren ja schon in der Druckerei bestellt gewesen. Wieder ein toller Tag mit den Läufern. Bilanz des Tages: dröhnende Ohren, 9 Stunden vor Ort, 8 Stunden Bearbeitung, 660 Fotos im Shop, 180 Bestellungen und Netto rund 900 Euro in der Kasse. Der höhere Umsatz kam lediglich über eine Preissteigerung zustande. Mehr verkauft habe ich trotz guter Werbung über die Sozialen Medien und meinen Karten für die Läufer nicht. Die Erfahrung (vieler Eventfotografen) hat gezeigt, dass lediglich etwa 20-30 Prozent der Bilder bei einem solchen Event gekauft werden. Zum Glück musste ich für meine Hilfsleistung keine Standgebühr bezahlen, sonst wäre ich wohl mit 100 Euro Plus aus der Aktion gegangen.

Jetzt möchte man meinen, dass man sich seitens der Organisation mit mir noch einmal an den Tisch gesetzt hätte, um das Ganze neu zu verhandeln. Schließlich waren die Läufer wieder hellauf begeistert und vollstens zufrieden mit ihren Bildern. Sie wollten es im nächsten Jahr wieder, eine Befragung auf Facebook meinerseits ergab genau das. Naja und Partner auf die man sich verlassen kann gibt es nicht wie Sand am Meer. Aber weit gefehlt, in diesem Jahr gab es sofort die Auskunft, ein anderer hätte den Zuschlag bekommen.
Geile Bilder machen – Bilder, wie sie die OCR-Welt noch nicht gesehen hat…
Für mich ließ das nur einen Schluss zu: Konzeptänderung! Rauf auf die Strecke und geile Bilder machen. Bilder, wie sie die OCR-Welt noch nicht gesehen hat. Und dann mal sehen, was man daraus machen kann. Sie den Läufern zu verkaufen ist nur eine Möglichkeit. Man kann das Pferd ja bekanntlich auch von hinten aufzäumen und ob das funktioniert, das werden die nächsten Jahre zeigen. Aber erst einmal war Leistung meinerseits gefordert. Ich brauchte ja erst einmal jene Bilder, die sich ganz deutlich von denen der anderen Sportfotoknipser abhoben. Also überlegte ich mir, was ich besser machen könnte.
Eine meiner Stärken ist die Darstellung von Emotionen, den Blick zu haben für Momente, die ergreifend sind, die etwas aussagen und nicht nur ein reines Abbild eines Läufers zeigen. Ich wollte Getting Tough so zeigen, wie es tatsächlich ist. Ein Auf und Ab von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Eine Schlammschlacht im wörtlichen Sinne, ein Kampf mit der Strecke und den Elementen, aber auch mit dem eigenen Ich. Die Hilfsbereitschaft der Sportler untereinander und auch die Power und Willenskraft der einzelnen Läufer. All das macht dieses Event tatsächlich aus. Wir „Normalos“ schütteln darüber den Kopf. Aber es ist die Welt der Läufer, in der derjenige „Fame & Glory“ erringt, der die Strecke und sich selbst bezwingt.
Der 3. Dezember 2016 war ein kalter klarer Morgen, ideal und absolut im Sinne der Organisatoren. Er vervollkommnete die Hölle aus Streckenkilometern, hunderten Hindernissen und dauerhafter Nässe. Eine große Zahl an Läufern würde daher das Ziel nicht erreichen. Für mich waren es einfach ideale Fotoverhältnisse. Die Sonne schien, also waren niedrige Empfindlichkeiten, schnelle Verschlusszeiten und gute Fotoqualität zu erwarten – das gefiel mir. Zudem konnte man die Sonne noch als Gegenlichtquelle nutzen und so auch interessantere Lichtstimmungen einfangen. Es wurde ein toller Tag auf der Strecke. Erstes Highlight – der Start von 3200 Läufern – traumhafte Bilder. Dann auf der Strecke auf einfaches Portraitfotografen Know-How zurück gegriffen und gezielt nach den Situationen gesucht, die ich konzeptionell für meine Fotos geplant hatte. Alles kein Promlem. Es lief super. Bilanz: 2500 Fotos nach 6 Stunden auf der Strecke. Nach 10 Stunden Arbeit am Rechner blieben 900 bearbeitete Aufnahmen übrig, die in meinen Shop wanderten. Ein Best Of postete ich auf Facebook, die Reaktionen und Kommentare waren fantastisch und solche Reichweiten hatte mein Facebookaccount noch nie gesehen. Ich war mit meiner Arbeit sehr zufrieden.
Aber es gibt auch Momente, in denen man nur mit dem Kopf schüttelt. Ein Läufer schrieb mir, das 7 Euro pro Bilddatei doch recht viel wären. Auch er war dem Trugschluss erlegen, dass man hier offensichtlich tausende von Euros machen kann. Bei drei Bildern pro Minute errechnete er mir einen Umsatz von 3300 Euro in der Stunde. Wäre tolle, wenn es so wäre. Die Realität zeigt aber das Gegenteil und die Statistik hat wie immer Recht. Vermutlich werde ich nur etwa 10% der Bilder verkaufen (ich hatte ja diesmal keine Kärtchen für jeden Läufer), jetzt kann sich jeder selbst ausrechnen, was das für ein Umsatz ist und das bei der Arbeit. Tatsächlich habe ich derzeit 29 Bestellungen in meinem Shop, trotz des Hypes auf Facebook und angeblichen 23.000 Menschen, die meine BestOf Alben gesehen hatten. Wichtiger war mir jedoch zu zeigen, dass es anders geht, dass die Menschen und die Läufer erkennen, was Qualität ist. Dass es nur weniger wirklich guter Bilder bedarf, um eine aussagekräftige Dokumentation eines Ereignisses zu erstellen. Wenn ich mir die Kommentare so anschaue, dann denke ich, dass ich bei Vielen genau das erreichen konnte.
Eine Erkenntnis bleibt jedoch – Qualität ist nicht alles, denn man muss von dem was man tut auch leben können. Und das könnte ich in diesem Fall wohl nicht. Deshalb werde ich weiterhin die Produktionshallen großer Firmen, Hotelzimmer, Produkte oder Firmenchefs ablichten. Damit verdiene ich mein Geld und hier wird Wert auf Qualität gelegt, denn hervorragende Fotos stützen das positive Fremdbild einer Firma gewaltig. Aber keine Angst, ich bleibe den Sportlern dennoch erhalten. Für mich ist das erste Wochenende im Dezember inzwischen zu einem schönen Ausgleich geworden, einfach mal etwas anderes zu machen. Eine willkommene Gelegenheit aus dem sonstigen Berufsleben auszubrechen. Wie sich all das weiterentwickelt??? – ich weiß es nicht – aber die Zukunft wird es zeigen.
– Vielen Dank an Jens Tresselt für die Fotografenbilder von mir-
Auch wenn ich den Blogbeitrag erst ein Jahr nach der Veröffentlichung gelesen habe muss ich sagen, das er echt gut geschriebenen ist und überraschend transparent die Situation darstellt.